Sonntag, 12. März 2017
Leschs Umweltkritik
https://www.youtube.com/watch?v=WqGWeWwYo9g

Lesch liefert wirklich eine saubere sinnentleerte Dramaturgie an der Kanzel der Grünen ab, die jeder dahergelaufene bürgerliche Öko-Idealist ebenso oberflächlich darbieten kann, ohne sich je mit politischer Ökonomie beschäftigt zu haben.
Zu aller erst ist der Fehler zu kritisieren, dauernd von einem Subjekt namens „wir“ oder „die Gesellschaft“ zu sprechen. Die Leute haben sich ebenso wenig gewünscht Feinstaub zu atmen wie sie sich ihr Proletarier-Leben eben als ewige Lohnarbeiter ausgesucht haben. Es waltet hier kapitalistische Herrschaft, jeder, der etwa die Produktionsbedingungen ändern wollte, der wird mit Staatsgewalt daran gehindert. Die einzigen, die diese bekannten Umweltschäden beauftragen, sind Unternehmer, deren Handeln von der Staatsgewalt geschützt wird – nennt sich Recht auf Privateigentum.

Die großen Schuldigen

Die billige Tour, die Schuld auf die bösen großen, multinationalen Konzerne zu schieben oder auf das Finanzkapital zeugt nur von Unwissen über die kapitalistische Produktion. Der Fehler sollte einem spätestens bei den Nationalsozialisten aufgefallen sein, die den wuchergierigen Juden als ewigen Parasiten der „eigentlich“ wunderbaren Wirtschaft erfinden.
Warum kleine oder mittelständische Unternehmen mit derselben Produktionsweise auf einmal keine Schäden oder relativ deutlich weniger Schäden verursachen sollten, wenn sie doch unter genau demselben Diktat produzieren müssen – nämlich Profitmaximierung als einziges und notwendiges Interesse des kapitalistischen Wirtschaftens –, bleibt unverständlich.
Ebenso wird es seinen Grund haben, warum es das Finanzkapital gibt und warum es nicht zum Wohle der Menschen Investitionen tätigt. Es wird und kann nur dorthin investieren, wo sich Profit herausschlagen lässt. Das ist für Krankenhäuser, Schulen oder Tafeln jedenfalls nicht der Fall.
Erst stellt Lesch richtig fest, dass einzig das Primat der Kapitalvermehrung – aus investiertem Geld mehr Geld zu bekommen – in der Produktion die Ursache der schädlichen Wirkungen darstellt, dann aber widerspricht er sich wieder selbst, wenn die bösen großen Unternehmen oder bösen Börsen angeblich allein Schuld an der Art der Produktion sein sollen.
Man könnte die Systematik der Schädlichkeit einer kapitalistischen Wirtschaft und Produktionsweise erkennen, wenn man aufhört, mit moralischen Maßstäben die Wirklichkeit zu vergewaltigen. Aber für Lesch kommt auf jeden Fall nicht infrage, dass das Ergebnis seiner Kritik zur Konsequenz hätte, diese wunderschöne freie Marktwirtschaft abzulehnen. Sich als Gegner der blumigen demokratischen Herrschaft zu erklären, das würde womöglich den schönen Lehrstuhl kosten, auf jeden Fall eine Reputation und noch dazu eine Menge kritische Denkarbeit.

Unternehmer, die nicht Bescheid wissen sollen

Das Albernste an seinem Vortrag ist die Vorstellung, „dass die Herrschaften in den Konzernen sich überhaupt keine Gedanken darüber machen, was sie so anstellen“.
Ist ja nicht so, dass Unternehmen mit allerlei Bio- und Öko-Produkten exklusive Werbung machen, ganze Unsummen für Marketing ganz bewusst ausgeben, damit sich ihr Greenwashing vermarkten lässt. Spricht man sie weiter auf die Schäden an, werden die Unternehmen antworten: „Wenn wir umweltfreundlich produzierten, dann hätten wir leider Konkurrenznachteile. Da müssen wir schon mehr Geld vom Kunden verlangen, damit sich euer Umweltinteresse mit unserem kapitalistischen Geschäft vereinbaren lässt.“ Wieder ist nichts von „keine Gedanken machen“ an solchen Beispielen zu sehen. So werden diese Green Products eben teurer angeboten, genau wegen der Berechnung von Unternehmen. Beim Kauf kann der Kunde nur hoffen, dass überhaupt das Siegel das verspricht, was das Unternehmen so alles vorgibt ökologisch Verantwortungsvolles zu tun; wo doch wirklich alle Tatsachen dagegensprechen würden, dass Unternehmer zum Wohle der Leute handeln. Und zweitens darf der Kunde kein Lohnarbeiter sein, denn der Lohn schmälert als Kostenfaktor für das Unternehmen den Gewinn, weshalb der Lohn so knapp bemessen sein soll wie möglich. Da ist schon mal nicht im Programm, überall die teuren Öko-Waren zu kaufen, wenn überhaupt der Lohn die Lebenshaltungskosten deckt. Für ein Viertel der deutschen Lohnabhängigen übrigens gilt dies nämlich nicht, da sie im Niedriglohnsektor arbeiten und mit diesem Lohn allein tatsächlich nicht überleben (!) können. Ganz zu schweigen von den Arbeitslosen und Rentner.
Dass Unternehmen ebenfalls berechnend mit gesetzlichen Umweltregelungen umgehen, sollte auch kein Geheimnis sein. Dass man mit geringerem Risiko ganz bewusst etwa an Testergebnissen herumpfuschen kann, die die Partikelfilterung von Automobilen untersuchen, um offensichtlich wider besseres ökologisches Wissen Geld zu sparen, wusste VW sehr wohl. Die ganzen „Skandale“, die Falschangaben und Tricksereien von Unternehmen aufdecken, haben anscheinend nie ihr Ende und zeigen bloß die Systematik dieser Wirtschaftsweise auf. Und sind mithin keineswegs ihre Ausnahmefälle, wie der Begriff Skandal suggerieren will, der eigentlich ganz unerwartete, empörende Phänomene beschreiben soll, von denen keiner etwas wissen konnte.

Umweltschutz

Der Staat verhält sich da ebenso bescheiden, was den Schutz der Lebensgrundlage seiner Untertanen anbelangt. Jede Maßnahme des Umweltschutzes misst sich an der Geschäftsfähigkeit der Wirtschaft, weshalb allenfalls die Grundlage der gesamten nationalen Wirtschaft zum Zweck der Regelungen werden. Flüsse dürfen da nicht vollständig als Müllhalde von Giftstoffen dienen, wenn das Wasser noch in Produktionen dieser nationalen Wirtschaft benötigt werden soll. Und allgemein werden meist nur Grenzwerte festgelegt, da die Abschaffung von gesundheitsschädlichen Stoffen – das wäre die logische Konsequenz des gesunden Menschenverstands, mit dem Wissen um deren Schädlichkeit – die Konkurrenzfähigkeiten auf dem Weltmarkt z. B. einschränken würde. Also darf es allenfalls eine Mäßigung von zerstörerischen Stoffen sein, die bloß nicht zu scharf die Interessen der privaten Unternehmen unterminieren dürfen.
Atomkraftwerke werden nicht stillgelegt nach den Erkenntnissen darüber, dass sie bei Gelegenheit alles Leben ganzer Landstriche zerstören – was sogar praktisch mehrfach geschehen ist, s. Tschernobyl und Fukushima – und in Betrieb ebenfalls die Krebsraten von Anwohnern erhöhen. Es wird da höchstens ein „Atomausstieg“ durchgesetzt, der – vermutlich oder vielleicht in zukünftigen Regierungen – Jahrzehnte andauert, da eben alles Tun unter dem Maßstab der Bezahlbarkeit vonstattengeht. Einfach nur die Gesundheit und Umwelt schützen, weil es technisch möglich wäre in einer Wirtschaft, die nicht auf Geld und Privateigentum beruht, und ausreichend Wissen dafür vorläge, kommt hierzulande sicherlich nicht in Frage.

Moralkeule

Aber, ich hüte mich zu kritisieren! Wer will schon etwas gegen die beste aller Welten, die wunderschöne freie Marktwirtschaft und ihre liebkosende Hand, die Demokratie, sagen? Die Systematik dieser kapitalistischen Wirtschaft kann man laut Lesch ebenso mit ‘ner Portion Moral mit einem Streich aufheben: Wenn „wir“ nur ein schönes „Solidaritätsgefühl” entwickeln, dann hören auf einmal die Folgen dieser Wirtschaft ganz von selbst auf; die herrschenden Akteure sind bei einer solchen Forderung sowieso ganz vergessen, und Lohnarbeiter, Arbeitslose, Manager, Aktionäre und Politiker werden allesamt gleichermaßen angesprochen. Man muss nur ganz fest daran glauben.
Dass Moral keine vernünftigen Lösungen für gesellschaftliche Probleme anbietet, sondern subjektiv bzw. willkürlich angewendete Ideale darstellt, die sich mit der Realität gar nicht tiefergehend befassen, sollte das Beispiel deutlich machen. Was soll man schon damit anfangen bei diesem Themenkomplex Solidarität zu fordern? Mit wem soll man solidarisch sein? Mit dem Unternehmer, der leider nicht mehr konkurrenzfähige Produkte auf den Markt bringen kann, wenn er in jedem Fabrik-Schornstein ausreichend Kohlenstofffilter einbaut? Oder dem Umweltminister, der leider nicht die Atomkraftwerke abstellen kann, der nationalen Standortkonkurrenz wegen? Wer will schon gegen den gebührenden Erfolg „unserer“ schönen, deutschen kapitalistischen Nation wettern?
Den moralischen Maßstab Solidarität für politische und ökonomische Sachverhalte anzusetzen ist eben unsinnig und kann nichts Hilfreiches für die Kritik oder Praxis liefern, da er die Analyse der Zustände übersieht und damit auch die Kritik oder die Kampfansage an die falsche Adresse richten wird. Einer falschen Analyse würden beispielhaft folgende Gedanken entspringen, die der Lesch herausschwafelt: „Wir haben längst alle Informationen darüber, was eigentlich passiert mit dem, was auf der Welt von ‚uns‘ angestellt wird. […] Wir wissen alle längst Bescheid, was es bedeuten wird, wenn ‚wir‘ so weitermachen wie bisher.“
Ganz so, als hätte die arbeitende, besitzlose Klasse Gammelfleisch, eine Melange von giftigen Pestiziden im Gemüse und radioaktiven Abfall im nächsten Wald selber bestellt, wo doch alle Handlungen gar nicht in ihrer Verfügungsgewalt stehen?
Aber die Leier kann man natürlich genauso umgekehrt durchziehen. Mit der Moralbrille schafft es Lesch ebenso den ganzen Kapitalismus zu erläutern: „die blanke Gier“ und „immer mehr“ sollen das Übel sein. Hiermit macht man den schlechten Charakter von „den Menschen“ für Missstände der Welt verantwortlich, so als würde es besser werden, wenn alle bloß die rechte Gesinnung vertreten würden. Mit der Kritik einer schlechten Ausführung lobt man indirekt das, was ausgeführt wird. Wenn doch nur die Unternehmer solidarisch wären, die Politiker anständige Machertypen und die einfachen Leute nicht solche Raffgeier, die doch gar nichts anderes erwarten brauchen und verdient haben als Gammelfleisch, wenn sie so wenig Geld hinlegen! Dann wären alle systemimmanenten Übelstände angeblich wie aus wunderlicher Hand weggezaubert.

Aus dem Mayakalender abgelesen

Zuletzt reiht sich der bürgerliche Volksversteher Lesch in die Reihe der Öko-Dramatiker ein, die das Ende der Welt oder besser noch der Geldwirtschaft schon für morgen am Mayakalender der ökologischen Gesinnung ablesen wollen. Den kommenden Generationen blüht die Apokalypse höchstpersönlich! Was gäbe es jedoch Schöneres als dass die kapitalistische Wirtschaft nicht „funktionieren“ würde? Doch wo eine Krise war, da war auch ihre Bewältigung. Dass die arbeitende Masse die Schäden dafür immer davontragen muss, ist jedoch eine Selbstverständlichkeit und veranlasst indes keinen Politiker, die Widersprüche dieser Wirtschaft zu analysieren und für die Wohlfahrt aller zu sorgen.
Seit jeher schafft es diese Wirtschaft ebenfalls Rohstoffe oder Produktionen, die ausgehen oder verboten werden, durch neue Rohstoffe und Produktionen zu ersetzen. Dies zeigt sich z. B. am Umstieg auf Energie-Produktion durch regenerativen Energien, den irgendwann jede Nation vollziehen muss, denn limitierte Rohstoffe sind logischer Weise irgendwann aufgezehrt. Und dass die heißen Zonen dieser Erde starke Schäden von einer Klimaerwärmung davontragen, ist den - imperialistisch vorherrschenden - Nationen dieser Welt wohl nicht eine internationale Maßregelung wert, die man in großen Treffen z. B. in Kyoto, Kopenhagen oder Paris hätte abschließen können. Weshalb sich der globale Kapitalismus vielleicht so entwickeln wird, wie es die Wissenschaftler mutmaßen.
Warum Grund zur Panik, dass er nicht mehr funktionieren sollte? Zig Millionen Menschen verhungern jedes Jahr, eine Milliarde geht mit hungrigem Magen ins Bett. Im Gegenzug könnte man schon längst stofflich die Weltbevölkerung zweifach ernähren. Das hat aber noch keinen bürgerlichen Wissenschaftler veranlasst, eine Kritik zu üben, die zum Ergebnis führen würde diese schöne Wirtschaft abzulehnen. Da wäre wohl eine Analyse fällig, die die systematischen Widersprüche der kapitalistischen Produktion aufzeigt. Da müsste man vielleicht beim alten Mann namens Marx oder anderen Kritiker der kapitalistischen Produktion selbst nachlesen. Aber nein, so weit wollen wir nicht gehen. Freiheit, Gleichheit, Eigentum! Und Demokratie! Die westlichen Werte müssen verteidigt werden! „Unser“ Segen, die beste aller Welten! Das bleibt ihr, und damit Leschs letztes Wort!

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